Vielen Landstrichen drohen künftig Hitzewellen, Athen ist sie längst
gewohnt. Wie man in in der griechischen Hauptstadt am lässigsten damit
umgeht, kann man kurz vor Sonnenaufgang auf der Küstenmagistrale in den
südwestlichen Vororten erleben.
Zwischen Glyfada und Piräus tobt zwischen vier und sieben Uhr früh eine
nächtliche Rushhour. Nachdem sich die besser verdienenden Athener ein
paar kühle Stunden in den zahlreichen Strandcafés und klimatisierten
Bouzouki-Palästen verschafft haben, steuern sie ihre Cabrios und Jeeps
in die nördlichen Wohnviertel zurück.
Wer es sich leisten kann, entzieht sich der Hitze der griechischen
Hauptstadt durch zeitliches und räumliches Ausweichen
- in die Nachtstunden und ans Meer. Denn tagsüber ist Athen eine
glühende Betonwüste, mit weniger Grünflächen als jede andere
europäische Metropole. Die Temperaturen steigen am Nachmittag über 50
Grad, und auch nachts lässt die Hitze kaum nach, weil die Gebäude die
gespeicherte Sonnenenergie in die viel zu engen Straßen abstrahlen. Der
einzige Luftzug kommt dann aus den Gebläsen, die wabenartig an allen
Häuserfronten kleben und die Abwärme der Klimaanlagen nach draußen
pusten.
Der Absatz von Klimaanlagen hat sich diesen Sommer gegenüber dem
Vorjahr um 130 Prozent erhöht. Das hat vor allem zwei Gründe. Erstens
rollte die erste Hitzewelle bereits im Juni über die Athener hinweg.
Und zweitens brannte auf dem Gebirgszug Parnassos nördlich der Stadt
ein riesiges Waldareal ab, das für das Kleinklima der Region Attika von
großer Bedeutung ist. Nach Berechnungen der Athener Universität hat
allein dieser Brand einen Klimaeffekt, der einer Verdoppelung des
Straßenverkehrs entspricht.
Bei den weit über 50 Grad im Schatten, die in den baumlosen
Straßenzügen am Nachmittag herrschen, wundert es nicht, dass jeder, der
es sich leisten kann, eine Klimaanlage montiert. Inzwischen gibt es nur
wenige Athener, die nicht zumindest bei Verwandten eine klimatisierte
Zuflucht finden. Öffentliche Kühlräume werden fast nur von alten
alleinstehenden Menschen genutzt. Zumal die Ministerien und Ämter, die
auf Weisung der Regierung an Hitzetagen bis Sonnenuntergang offen
stehen, keine besonders gastliche Atmosphäre bieten.
Die private Bewältigung der Hitzewelle hat allerdings die Engpässe
in der Energieversorgung weiter verschärft. Griechenland ist seit
Jahren von Stromimporten aus den Nachbarländern auf dem Balkan
abhängig, die diesen Sommer selbst unter einer Hitzeglocke lagen. Und
da die Appelle der Regierung, zwischen 11 und 15 Uhr möglichst wenig
elektrische Geräte anzustellen, wirkungslos blieben, kam es wiederholt
zu längeren Stromausfällen.
Wenn die Klimaanlage streikt, bleibt immerhin noch die Fahrt zu den
nahen Küsten die allerdings zum knappen Gut geworden sind. Die meisten
Strandmeilen, vor allem am Saronischen Golf, sind fest in privater
Hand. Und die Betreiber der kommerziell genutzten Buchten verkaufen das
kühle Bad zu hohen Preisen.
Athen hat gerade erst mit der Diskussion begonnen, wie es sich
langfristig auf mehr Hitzewellen einstellen soll. Erste Vorschläge
wirken hilflos. Im Gespräch ist, die Flachdächer der Stadt
reflektierend zu bemalen. Auch sollen die Ferienzeiten verlegt werden.
Denn der sommerliche Reisestrom aus der Stadt erfolgt zum klimatisch
falschen Zeitpunkt: zwischen Ende Juli und 20. August. Frühere
Urlaubswochen wären sinnvoller, weil im August auch in Athen meist
kühlende nördliche Winde wehen.
Seit den beiden Hitzewellen dieses Sommers denken immer mehr Athener
auch über einen wahrhaftigen Exodus nach. Sie wollen weg, raus aus der
stickigen Metropole Da die Arbeitschancen aber immer noch auf den
Großraum Athen beschränkt sind, dürfte dieser Wunsch zur weiteren
Zersiedlung des Umlands führen. Experten halten es für keinen Zufall,
dass einer der großen Waldbrände in der Umgebung von Korinth wütete.
Diese Region entwickelt sich, seitdem die Verkehrsanbindung an die
Hauptstadt deutlich besser geworden ist, zu einem der heißesten
griechischen Immobilienmärkte.
Autor: Niels Kadritzke
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Donnerstag, 28. März 2024